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„Ich weiß jetzt, was wirklich im Leben zählt“

Etwa 49 Millionen Menschen in der EU leiden an einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems. Die koronare Herzkrankheit (KHK) macht hier einen Großteil der Erkrankungen aus. Dabei ist die Verengung der Gefäße durch atherosklerotische Prozesse eng mit einem ungesunden Lebensstil verbunden. So auch bei dem nordrheinwestfälischen Diakon Rainer Beerhenke. Nach erfolgreicher Stentimplantation und einer Bypass-Operation in 2021 steht der heute 58-Jährige wieder mitten im Leben und nimmt als einer der ersten Patienten an dem EU-geförderten TIMELY-Projekt teil, welches das Therapieangebot für PatientInnen mit KHK verbessern soll.

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Als Rainer Beerhenke an einem sonnigen Dienstagmorgen im Februar mit uns spricht, strahlt ein junggebliebener 58-jähriger Diakon in die Kamera. Während er aus seinem Büro in Bergisch Gladbach von seiner erfüllenden Arbeit in der Gemeinde Bensberg spricht, leuchten seine Augen. Auch als er von seiner Familie und den beiden Enkelkindern berichtet, spürt man seine Begeisterung durch den Bildschirm hindurch. Erst als er auf seine „Herzgeschichten“ – wie er sie nennt – zu sprechen kommt, wird er nachdenklicher und in seiner Stimme klingen Sorgen mit. Mit 30 Jahren litt er das erste Mal unter gesundheitlichen Problemen. „Bis zu diesem Zeitpunkt war mein Lebensstil nicht gerade vorbildlich – ich brachte gut 25 Kilogramm mehr auf die Waage, habe mich nicht gerade gesund ernährt und mich zu wenig bewegt“, erklärt der heute 58-Jährige. „Als mein Hausarzt mir die Konsequenzen meines ungesunden Lebensstils deutlich machte, war das ein echter Ansporn für mich, mich mehr zu bewegen und mit dem Joggen anzufangen.“ Rainer Beerhenke ist es gelungen, eine neue Leidenschaft zu entwickeln und damit zeitweise auch seinen Bluthochdruck ohne Medikamente in den Griff zu bekommen.

Einige Zeit später aber fallen seinem Kardiologen bei einem Belastungs-EKG Unregelmäßigkeiten am Herzen auf. Nach einer Cardio-Computertomographie ist klar: Ein Bypass ist nötig, um möglichen Folgen einer koronaren Herzkrankheit – wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen - vorzubeugen. Und auch eine neue Herzklappe muss eingesetzt werden, denn Rainer Beerhenke hat einen angeborenen Herzklappenfehler, der bis dahin noch nicht entdeckt wurde. Den Eingriff im Krankenhaus hat Rainer Beehrhenke gut überstanden. Trotzdem ist die Odyssee für den Diakon noch nicht zu Ende: Bei einem 24h-EKG wurde eine kurze Tachykardie entdeckt. Kurz darauf wird ihm im Porzer Herzzentrum ein Stent eingesetzt. Bei Rainer Beerhenke verläuft auch dieser Eingriff erfolgreich und in der anschließenden Reha fühlt er sich von den Ärzten und Therapeuten in der Klinik Königsfeld, Ennepetal, gut betreut. Er entscheidet sich, am TIMELY-Projekt teilzunehmen, an dem auch Dr. Boris Schmitz beteiligt ist. Warum er sich entschließt, mitzumachen? „Es war eine Win-Win-Situation: Ich profitiere von der intensiveren Betreuung in der Rehabilitationsphase und trage gleichzeitig dazu bei, dass auch weitere Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit von den wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren“, fasst Rainer Beerhenke seine Beweggründe zusammen.

 

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Rainer Beerhenke

Meine Herzkrankheit hat mich verändert. Ich weiß, was wirklich zählt im Leben: Familien und Freunde. Heute nehme ich nicht mehr alles so ernst und ich kann Entscheidungen konsequenter treffen und zu ihnen stehen.

Rainer Beerhenke, Diakon

Mit TIMELY sollen KHK-Patientinnen und -Patienten auch nach dem Reha-Aufenthalt engmaschig und individuell betreut werden

„Wir sehen viele Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit wie Rainer Beerhenke. Eine der größten Herausforderungen für viele von ihnen ist die nachhaltige Änderung ihres Lebensstils – hin zu gesunder Ernährung, Stressbewältigung und mehr körperlicher Aktivität und Sport. Nach der Reha verfallen viele in ihre alten, ungesunden Verhaltensmuster und beklagen, dass sie sich nicht ausreichend begleitet fühlen“, kommentiert TIMELY-Studienleiter Dr. Boris Schmitz. „Mit dem TIMELY-Forschungsprojekt versuchen wir digitale Lösungen zu entwickeln, die eine individuelle Betreuung unserer KHK-PatientInnen über die medizinische Rehabilitation hinaus ermöglichen, um langfristig Komplikationen zu vermeiden.“

Um die Patientinnen und Patienten beim Selbstmanagement zur Krankheitsbewältigung und Prävention des Fortschreitens der KHK bestmöglich zu unterstützen, verfolgt TIMELY einen ganzheitlichen Ansatz. Im Mittelpunkt steht eine digitale Plattform, auf welche alle Beteiligten zugreifen können. Hier kommen die Messwerte aus den externen Geräten an und Datenbanken mit Referenzwerten und Leitlinien sind hinterlegt. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) soll jeder Patient künftig eine auf ihn individuell abgestimmte Therapieunterstützung erhalten können. Zentrales Bindeglied zwischen dem Patienten und seinen Ärzten und Therapeuten ist dabei der Case Manager. Über ein Entscheidungsunterstützungssystem erhält dieser Hilfe beim Patientenmanagement und kann so auf KI-gestützte Risikobewertungen und Interventionsmaßnahmen zugreifen.

Die TIMELY-Plattform mit all ihren Funktionalitäten wird im Verlauf des auf fast vier Jahre angelegten Projektes entwickelt – dabei werden insbesondere auch die Nutzertauglichkeit und die Bedienbarkeit gemeinsam mit Patientinnen und Patienten geprüft. Rainer Beerhenke nimmt an der ersten Pilotphase des TIMELY-Projektes teil. Er wird sechs Monate lang nach seinem Reha-Aufenthalt mit einem Blutdruckmessgerät, einem Aktivitätstracker und einem EKG-Pflaster ausgestattet. Die Systeme befinden sich derzeit in der Testphase, um Anwendung und Nutzerakzeptanz zu ermitteln. Ziel ist es, die Messdaten zeitnah übertragen zu können und zentral aufzuarbeiten. „Die digitalen Messgeräte [Blutdruck und Aktivitätstracker] sind sehr hilfreich und das EKG-Pflaster finde ich genial, ohne all die sonst notwendigen Kabel. Die tägliche Messung meines Blutdrucks hat mich sensibilisiert, mehr auf meinen Körper zu hören.“ Auch die engmaschige Betreuung durch das Studienteam schätzt er, denn so könne der Patient im Fall eines ernsthaften Ereignisses informiert und wenn nötig in die Klinik gerufen werden. Für Rainer Beerhenke ist das auch eine emotionale Absicherung, denn von seinen Herzproblemen habe er vorher nie etwas gespürt. „Was mir im Hinterkopf bleibt, ist die Sorge, dass ich auch im Ernstfall nichts merken würde und dann nicht rechtzeitig die Rettungskräfte benachrichtigen könnte.“ Und Dr. Schmitz ergänzt: „Mit der TIMELY-Plattform versuchen wir ein Werkzeug zu entwickeln, das es PatientInnen ermöglicht, ihre Gesundheit selbstbewusst und aktiv mitzugestalten.  Zudem erhalten Patienten individuelle Trainingspläne und Empfehlungen. Auch Benachrichtigungen über ungünstige Entwicklungen und Empfehlungen zu Interventionen werden möglich sein. Insgesamt schaffen wir so auch ein Gefühl der Sicherheit“.

Digitale Therapielösungen bieten Patientinnen und Patienten Vorteile

Generell steht Rainer Beerhenke E-Health-Lösungen offen gegenüber. So nutzt er beispielsweise eine Smartwatch für sein Lauftraining und eine App für autogenes Training, die von seiner Krankenkasse angeboten wird. Und auch elektronische Visiten, die PatienInnen Zeit sparen, findet er begrüßenswert. Von der TIMELY-Plattform erhofft er sich auf den Patienten abgestimmte Inhalte und individuelle Reha-Pläne sowie Tipps und Empfehlungen, wenn sich die übermittelten Gesundheitsdaten spontan verändern. Insbesondere für KHK-Patientinnen und -Patienten, die auf ihre Ernährung achten oder ihren Alkohol- und Tabakkonsum in den Griff bekommen müssen, sieht Rainer Beerhenke viele Vorteile einer digitalen Plattform. „Trotzdem sollte man sich nicht von digitalen Tracking-Geräten abhängig machen und vielmehr ein Gefühl dafür entwickeln, auf seinen Körper zu hören“, meint er.

Auf dem richtigen Weg

„Generell fühle ich mich jetzt wieder gut. Es ist ein super Gefühl, wieder draußen joggen zu können“, sagt Rainer Beerhenke neun Monate nach dem Reha-Aufenthalt. In der Rehabilitationsphase habe er aber auch gemerkt, dass der Reha-Prozess für ihn zwei Ebenen beinhaltet: „Auf der rein körperlichen Ebene war ich schnell wieder fit. Auch die Empfehlung, mich sportlich zu betätigen, war keine Herausforderung. Anders als viele andere KHK-PatientInnen war ich an Sport gewöhnt. Aber ich habe schnell gemerkt, dass die mentale Verarbeitung der Geschehnisse Zeit in Anspruch nehmen würde. Die Dinge haben sich so schnell ereignet, und ich muss sie erst einmal verdauen.“ Ein Therapeut hilft ihm bei der Verarbeitung und natürlich steht auch seine Familie eng an seiner Seite. „Meine Herzkrankheit hat mich verändert. Ich weiß, was wirklich zählt im Leben: Familien und Freunde. Heute nehme ich nicht mehr alles so ernst und ich kann Entscheidungen konsequenter treffen und zu ihnen stehen.“ Für die Zukunft wünscht er sich mehr Aufklärung zum Thema koronare Herzkrankheiten und eine Sensibilisierung für genetische Prädisposition. 

Damit es mehr Menschen nach koronarer Herzkrankheit schaffen, ein erfülltes und langes Leben zu führen, arbeiten wir mit 15 europäischen Partnern an dem EU-geförderten TIMELY-Projekt. Erfahren Sie jetzt hier mehr darüber.